Die wahrscheinlich bekannteste Variante des Faszientrainings ist die Arbeit mit
Faszienrollen.
Die Hartschaumrolle wird unter das zu behandelnde Körperteil gelegt und man versucht, über diesem Druck zu entspannen, was je nach Körperregion eine schmerzhafte Herausforderung sein kann. Direkt
nach dem Rollen ist gewöhnlich eine spontane Schmerzreduktion und eine Zunahme der Beweglichkeit spür- und messbar – oftmals auch an Strukturen, die aktuell gar nicht direkt behandelt wurden,
sondern nur in einem Spannungszusammenhang mit dem bearbeiteten Gebiet stehen. Die überraschend schnelle Wirkung macht „die Rolle“ bei Therapeuten, Patienten und Sportlern äußerst beliebt und hat
sich in Trainings- und Heimprogrammen mittlerweile einen festen Platz erworben.
Will man sich auf einschlägige Medien verlassen, findet man vor allem ein sehr zügiges Arbeiten mit der Rolle. In der Aufwärmphase bzw. vor einem Wettkampf ist diese schnelle Art durchaus angebracht, weil sie das Gewebe tonisiert, die Propriozeption steigert und die Durchblutung anregt.
Es steckt jedoch weit mehr in der Arbeit mit der Faszienrolle. Um die therapeutisch-positive Wirkung auszuschöpfen, muss betont langsam mit der Rolle gearbeitet werden! Im Labor hat sich eine Geschwindigkeit von etwa 1 cm pro Minute als optimal herausgestellt. Die Wirkungen dieses Zeitlupen-Rollen sind bisher vor allem in vitro nachgewiesen, man darf jedoch annehmen, dass die Effekte recht direkt übertragbar sind.
Der erste Aspekt betrachtet die Wasserbindungsfähigkeit innerhalb der Extrazellulären Matrix. Die Interstitialflüssigkeit wird elektrostatisch an die dort vorhandenen Glykosaminoglykane gebunden. Diese Bindungsstellen werden mit der Zeit, durch schlechte Ernährung, bei zu wenig Bewegung und zu viel Stress von Radikalen belegt, die damit eine Wasserbindung behindern. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass der Wassergehalt des alternden Menschen beständig abnimmt. Versuche haben ergeben, dass ein Wasseraustausch durch Bewegung, Stretching oder eben Faszienrollen diese Bindungsstellen wieder freilegt. Wahrscheinlich werden die Radikale von ihren Bindungsstellen weggeschwemmt, ähnlich, wie ein Schwamm durch mehrfaches Auspressen gereinigt wird. Der Effekt einer erhöhten Wasserbindungsfähigkeit ist für Stunden nach der Selbstbehandlung nachweisbar und hat nach etwa drei Stunden eine Art Superkompensationseffekt. Neben einer erhöhten Faserstiffness bewirkt die verbesserte Wasserbindung auch eine verbesserte Gleitfähigkeit der Faszien.
Die zweite Wirkung berührt ebenfalls die Wasserbindung und Gleiteigenschaften, weil die Bindegewebszellen (Fibrozyten) durch den mechanischen Druck mehr Hyaluron produzieren. Hyaluron gehört zu den Glykosaminoglykanen, die, wie oben erwähnt, notwendig sind, um die Wassermoleküle zu binden. Mehr Hyaluron bedeutet wieder mehr Wasserbindung. Man kennt diese Idee aus der Kosmetik, wenn Falten unterspritzt werden und aus der Orthopädie, wenn Knorpel mittels Hyaluroninjektionen „aufgebaut“ werden sollen.
Der dritte nachgewiesene Effekt betrifft die Kollagenfasern selbst. Diese haben in Ruhe und bei
Immobilisation die Eigenschaft, zu verkleben und mittelfristig chaotisch zu verfilzen, also ungute Cross-Links zu bilden. Man könnte sagen, das überschüssige Kollagen lagert sich ungeordnet
zwischen bestehenden Fasern an und stört die funktionelle Ordnung. Durch den Druck und den Wasserfluss beim Faszienrollen sollen nun einerseits vermehrt kollagenabbauende Enzyme (Kollagenasen,
MMP-1) produziert, und andererseits Kollagen-aufbauende Faktoren (TGF-ß1, Prokollagen) ausgeschüttet werden. In diesem Sinne konzentriert sich der Organismus auf den Kollagenaufbau belasteter Strukturen und die Myofibroblasten-Differenzierung, jedoch werden störende
Cross-Links reduziert.
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An dieser Stelle sei die andauernde Diskussion, ob Faszienrollen eine manuelle Bindegewebsarbeit ersetzen kann, da
man über die Rolle keine Scherkräfte erzeugen kann, erwähnt. Letzteres ist meistens korrekt, jedoch tragen die erwähnten Faktoren durchaus zum Lösen und zur Neuorganisation der Kollagenstruktur bei.
Zuletzt sei die vermehrte NO(=Stickoxid)-Produktion erwähnt, welche über eine Gefäßweitstellung die lokale Durchblutung steigert, was die Regeneration auch auf Stoffwechselebene verbessert.
Das offensichtlichste (oder eher spürbarste) Merkmal des Druckschmerzes ist wissenschaftlich am wenigsten untersucht. Auf die bestehenden Erkenntnisse zurückgreifend, kann man jedoch eine Neuregulierung innerhalb der Schmerzverarbeitung annehmen. Dabei findet eine Aktivierung der absteigenden schmerzhemmenden Bahnen übergeordneter Hirnareale statt, welche die Schmerzweiterleitung unterdrücken.
Die Erfahrung zeigt jedoch überwiegend eine nachlassende Schmerzhaftigkeit, eine zunehmende Beweglichkeit und ein verbessertes Körpergefühl durch die Anwendung der Faszienrolle. Eine Verbesserung des Hautbilds wird diskutiert, allerdings stehen oberflächliche Krampfadern ganz oben auf der Liste der Kontraindikationen, gefolgt von Entzündungen, Osteoporose, Blutverdünnung und Schwangerschaft.
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